Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften

Mai 18, 2023 admin

A.Problem und Ziel

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 13. September 2022 entschieden, dass die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist (BAG – 1

ABR 22/21). Dabei bezieht sich das BAG auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) sowie der Richtlinie 89/391/EWG (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie) betrifft (EuGH Rs. 55/18 CCOO). Der Arbeitgeber ist bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Absatz 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, ein System einzuführen und zu nutzen, mit dem die geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Die Arbeitszeiten sind im Zuge der Globalisierung und der Digitalisierung in den vergangenen Jahren immer flexibler geworden. Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt kommt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zu. Die Erfassung der Arbeitszeiten erleichtert dem Arbeitgeber die Kontrolle der gesetzlichen Höchstarbeitszeiten

und Mindestruhezeiten. Sie leistet damit auch einen Beitrag, um die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer flexiblen Arbeitswelt zu gewährleisten.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) Regelungen für die Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit geschaffen werden.

B. Lösung

Im Arbeitszeitgesetz sowie im Jugendarbeitsschutzgesetz werden in Folge der Entscheidungen des EuGH und des BAG Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung geregelt. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der beschäftigten Jugendlichen jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen.

Reich ist, wer seine Schulden bezahlen kann, ohne Schulden machen zu müssen“
(Bing Crosby)

C. geplante Neuregelung zur Vertrauensarbeitszeit

Arbeitgeber und Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer können eine sogenannte Vertrauensarbeitszeit vereinbaren. In diesem Fall verzichtet der Arbeitgeber auf die Festlegung von

Beginn und Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Er „vertraut“ dabei darauf, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer der vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommen, ohne dieses zu überprüfen. Einzuhalten sind jedoch die Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutzes. Arbeitszeitaufzeichnung und „Vertrauensarbeitszeit“ schließen sich nicht aus. Insbesondere eine elektronische Aufzeichnung erleichtert es dem Arbeitgeber, die arbeitsschutzrechtliche Arbeitszeit aufzuzeichnen, ohne die vertragliche Arbeitszeit kontrollieren zu müssen.

In Absatz 4 wird geregelt, dass der Arbeitgeber bei „Vertrauensarbeitszeit“ sicherstellen muss, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Dies kann zum Beispiel durch die entsprechende Meldung eines elektronischen Arbeitszeiterfassungssystems erfolgen. Durch die Regelung wird die Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit nicht entbehrlich, Arbeitgeber erhalten jedoch die notwendige Rechtssicherheit für die Arbeitszeitaufzeichnung, wenn sie bei vereinbarter „Vertrauensarbeitszeit“ auf die Kontrolle der vertraglichen Arbeitszeit verzichten. Denn das Bundesarbeitsgericht hat bereits 2003 entschieden, dass der Arbeitgeber auch bei Vertrauensarbeitszeit seinen Betrieb derart zu organisieren hat, dass er die Einhaltung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen gewährleisten kann (BAG 6.5.2003 – Az. 1 ABR 13/02).

Auch bei „Vertrauensarbeitszeit“ hat der Arbeitgeber die Aufzeichnungen der gesamten Arbeitszeit seiner Beschäftigten mindestens zwei Jahre aufzubewahren, um sie etwa für aufsichtsbehördliche Prüfungen, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren oder auf Verlangen des Betriebsrates vorlegen zu können. Eine Aufbewahrung lediglich von elektronischen Mitteilungen über Verstöße gegen gesetzliche Regelungen würde diesem Zweck nicht entsprechen. Nur in der Gesamtschau kann festgestellt werden, ob Mehrarbeit innerhalb der vorgeschriebenen Ausgleichszeiträume ausgeglichen wird.

Der EuGH verlangt, daß das System für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer zugänglich sein muß. Es wird daher vorgeschrieben, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer auf Verlangen in geeigneter Weise über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren muß. Auf Wunsch hat er einen Ausdruck der Aufzeichnungen der Arbeitszeit auszuhändigen oder eine elektronische Kopie zu übermitteln. Die Regelung, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie auszuhändigen, entspricht der bisherigen Regelung in § 21a Absatz 7 ArbZG, mit dem Artikel 9 Buchstabe b der Richtlinie 2002/15/EG zur Arbeitszeit des Fahrpersonals umgesetzt wurde. Der Arbeitgeber kann den Vorgaben auch dadurch entsprechen, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die sie betreffenden elektronischen Aufzeichnungen selbst einsehen und Kopien fertigen können.

E. Übergangsregelungen

Der Entwurf enthält eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung für die Einführung eines elektronischen Systems der Arbeitszeiterfassung. Generell können Arbeitgeber bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitszeit nicht elektronisch, also zum Beispiel handschriftlich aufzeichnen. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gilt die Übergangsregelung zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fünf Jahre. Die Festlegung der Unternehmensgröße orientiert sich an der Definition der EU-Kommission für kleine und mittlere Unternehmen.

Für Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird eine Kleinbetriebsklausel eingeführt. Sie können dauerhaft von der Vorgabe der elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeiten abweichen. Dies gilt entsprechend für einen ausländischen Arbeitgeber ohne Betriebsstätte im Inland, wenn er bis zu zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Deutschland entsendet. Auch Privathaushalte, die Hausangestellte beschäftigen, können die Aufzeichnung nichtelektronisch führen. Dies gilt, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem privaten Haushalt geschlossen ist.

Wir freuen uns auf Sie! Ihr Team von Niehues Filla Niehues Niehues.